Im viktorianischen London des 19. Jahrhunderts war der Name Norton ein Synonym für Macht, Reichtum und Einfluss. Als Besitzer riesiger Textilfabriken und mit engen Verbindungen zum britischen Königshaus lebte die Familie im Glanz der High Society – finanziert durch die Ausbeutung Tausender verarmter Arbeiter, darunter viele Kinder.
Doch hinter dieser goldenen Fassade verbarg sich eine erschütternde Wahrheit. Im Jahr 1886 wurde der leblose Körper eines neunjährigen Jungen in einem feuchten Keller unter einer Norton-Fabrik gefunden. Das Kind war dort als Arbeiter beschäftigt – ein Schicksal, das vielen seiner Altersgenossen damals drohte. Der Skandal erschütterte ganz London, die Presse war unerbittlich.

Verdacht auf Mord – und ein düsteres Familiengeheimnis
Schnell fiel der Verdacht auf Roy W. Norton, das Familienoberhaupt. Ein Mann mit beunruhigender Nähe zu den jüngsten Fabrikarbeitern und einem Ruf für seltsame Eigenheiten. Doch was die Ermittlungen ans Licht brachten, war noch verstörender: Eine genetische Veranlagung zur damals unbekannten Lyme-Borreliose, die über Generationen hinweg die Mitglieder der Familie körperlich und geistig veränderte.
Zwischen 1865 und 1896 nahmen sich sechs Angehörige der Familie auf makabre Weise das Leben. Eine alte Tante behauptete, Dämonen würden ihr durch die Ohren kriechen. Eines Tages rannte sie im Nachthemd auf die Straße, schrie von Insekten, die über ihren Kopf liefen – und stach sich eine Schere in die Schläfe.
Wahnsinn, Deformierungen und dunkle Rituale
Die körperlichen Entstellungen, die durch die Krankheit verursacht wurden, versuchten die Nortons mit Masken zu verbergen. Doch es half nichts: Die Medien nannten sie bald nur noch „die Teufelsfamilie“. Gerüchte über Wahnsinn und okkulte Rituale in ihrem Landsitz machten die Runde – darunter nächtliche Beschwörungen, in Stein gemeißelte Pentagramme und Diener, die spurlos verschwanden.
Was einst ein respektiertes Adelsgeschlecht war, wurde in kurzer Zeit zum Inbegriff viktorianischen Grauens. Die feine Gesellschaft Londons wandte sich ab, selbst die Krone distanzierte sich öffentlich. Ein Ruf war für immer zerstört.
Der Fall Norton – eine düstere Legende
Bis heute ranken sich zahlreiche Legenden um die Familie Norton. Historiker streiten über die Ursachen des Verfalls: War es Krankheit, Wahnsinn – oder verbarg sich etwas noch Dunkleres hinter den Mauern ihrer Villen?
Fest steht: Der Fall Norton zeigt, wie dünn die Grenze zwischen zivilisierter Fassade und abgründigem Wahnsinn sein kann. Und wie eine einzige entsetzliche Entdeckung genügt, um eine der mächtigsten Familien Englands in den Schatten der Geschichte zu verbannen.