Am 4. November 1922 machte der britische Archäologe Howard Carter eine Entdeckung, die die Welt der Ägyptologie für immer verändern sollte: das nahezu unberührte Grab des Pharaos Tutanchamun im Tal der Könige bei Luxor. Dieses Grab, bekannt als KV62, war nicht nur ein archäologischer Triumph, sondern auch ein Fenster in die Pracht und die Geheimnisse des alten Ägyptens. Über 3200 Jahre lang hatte es verborgen gelegen, geschützt durch Geröll und Vergessenheit, und enthüllte bei seiner Öffnung eine Fülle von Schätzen, die bis heute die Fantasie der Menschen beflügeln.

Die Geschichte der Entdeckung begann mit Carters unermüdlichem Glauben, dass das Grab des jungen Pharaos, der von etwa 1332 bis 1323 v. Chr. regierte, noch im Tal der Könige zu finden sei. Unterstützt von seinem Finanzier Lord Carnarvon hatte Carter jahrelang im Wüstensand gegraben, obwohl viele glaubten, das Tal sei archäologisch erschöpft. Seine Beharrlichkeit zahlte sich aus, als ein junger Wasserträger, Hussein Abd el-Rassoul, zufällig auf eine Treppenstufe stieß PIECE zum Eingang von KV62 führte. Als Carter die vermauerte Tür mit dem königlichen Siegel Tutanchamuns erblickte, wusste er, dass er etwas Außergewöhnliches gefunden hatte. Beim Durchbrechen der Wand am 26. November 1922 sah er durch ein kleines Loch eine Kammer, gefüllt mit goldenen Statuen, Truhen, einem Thronsessel und anderen Kostbarkeiten, die im Fackellicht glitzerten.

Das Grab selbst ist erstaunlich klein im Vergleich zu anderen Pharaonengräbern, mit einer Gesamtfläche von nur etwa 110 Quadratmetern. Es besteht aus vier Kammern, einer Eingangstreppe und einem Korridor. Die geringe Größe und die schlichte Dekoration lassen vermuten, dass es ursprünglich nicht für einen König gedacht war, sondern möglicherweise für eine Privatperson, die nach Tutanchamuns frühem Tod im Alter von 19 Jahren angepasst wurde. Dennoch war die Kammer vollgestopft mit über 5300 Objekten, darunter Möbel, Kleidung, Schmuck, Waffen und der berühmte goldene Sarkophag, der die Mumie des Pharaos umschloss. Die ikonische Totenmaske aus purem Gold, die das Gesicht des jungen Königs zeigt, ist bis heute eines der bekanntesten Artefakte der Welt und wird im Ägyptischen Museum in Kairo ausgestellt.
Die Bedeutung des Fundes liegt nicht nur in seinem materiellen Reichtum, sondern auch in den Einblicken, die er in das Leben und die Kultur des Neuen Reiches bietet. Tutanchamun, der mit neun Jahren den Thron bestieg, war ein Kindkönig, dessen Herrschaft durch die Rückkehr zur traditionellen ägyptischen Religion geprägt war, nachdem sein Vater Echnaton die Anbetung des Sonnengottes Aton eingeführt hatte. Die Grabbeigaben, darunter kunstvoll verzierte Truhen, Alabastervasen und Statuen, spiegeln den königlichen Lebensstil wider und zeigen die außergewöhnliche Handwerkskunst der damaligen Zeit. Besonders faszinierend sind die Details der Begräbniszeremonien, die auf den Wandmalereien der Grabkammer dargestellt sind, einschließlich der Mundöffnungszeremonie, die von Tutanchamuns Nachfolger Eje durchgeführt wurde.
Trotz der Pracht des Fundes bleiben viele Fragen offen. Warum war die Bestattung so hastig? Untersuchungen der Mumie zeigen, dass sie unzureichend mumifiziert wurde, möglicherweise aufgrund eines plötzlichen Todes. Moderne Analysen, einschließlich Computertomografie und DNA-Tests, deuten darauf hin, dass Tutanchamun an Malaria litt und an einem offenen Oberschenkelbruch starb, möglicherweise geschwächt durch Inzucht in der königlichen Familie. Spekulationen über einen Mord oder einen Staatsstreich, insbesondere durch Eje, der auf den Grabwänden bereits als König dargestellt wird, sind bis heute nicht eindeutig geklärt. Auch die Theorie, dass hinter den Wänden von KV62 weitere Kammern, möglicherweise das Grab der Königin Nofretete, verborgen sein könnten, wurde durch Radarscans 2018 widerlegt.
Die Restaurierung des Grabes, die 2009 vom Getty Conservation Institute begonnen wurde, zeigte die Herausforderungen des Massentourismus. Dunkle Flecken auf den Wandmalereien, ursprünglich für mikrobiologische Wucherungen gehalten, erwiesen sich als Überreste der hastigen Bestattung, als die Farbe noch feucht war. Um das Grab zu schützen, wurde die Mumie in einen klimatisierten Glaskasten verlegt, und es gibt Pläne, den gesamten Grabschatz im Grand Egyptian Museum in Gizeh auszustellen.
Die Entdeckung von Tutanchamuns Grab löste eine weltweite „Tutmania“ aus, die Mode, Kunst und Popkultur beeinflusste. Sie bleibt ein Symbol für die Faszination des alten Ägyptens und die Geheimnisse, die noch in der Wüste verborgen liegen könnten. Howard Carters Fund ist nicht nur ein Schatz aus Gold, sondern ein Vermächtnis, das die Geschichte der Menschheit erhellt.